In vielen deutschen Unternehmen ist Mobbing ein ständiger Begleiter. Eine traurige Realität, wenn man bedenkt, dass viele Menschen einen großen Teil ihrer Zeit am Arbeitsplatz verbringen und Mobbingsituationen daher nur schwer entkommen können. In vielen Fällen geht das feindselige Verhalten zwischen Kollegen und Vorgesetzten so weit, dass Betroffene krank werden und ausfallen. Das ist nicht nur ein Kostenfaktor für ein Unternehmen, sondern hat auch Auswirkungen auf die Menschen.
Doch was ist eigentlich Mobbing? Wenn die Kollegin mich nicht grüßt, ist das schon Mobbing? Das Wort„Mobbing“ kommt aus dem englischen „to mob“ und bedeutet soviel wie anpöbeln, über jemanden herfallen, jemanden bedrängen, attackieren. Der Begriff geht zurück auf den Verhaltensforscher Konrad Lorenz (1966), der damit Angriffe von Tieren bezeichnete, die sich zu einer Gruppe zusammenschließen, um einen Gegner zu verscheuchen.
Der Arbeitspsychologe Leymann (1995) führte den Begriff Mobbing in die deutschsprachigen Länder ein. Er bezeichnete damit
„ … eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden, bei der die angegriffene Person unterlegen ist (1) und von einer oder einigen Personen systematisch, oft (2) und während längerer Zeit (3) mit dem Ziel und/oder Effekt des Ausstosses aus dem Arbeitsverhältnis (4) direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet.“ (Leymann, Der neue Mobbing-Bericht, 1995, S. 18)
Während die ursprüngliche Definition von Leymann noch beeinhaltete, dass eine oder mehrere von ihm benannte 45 Mobbing-Handlungen über ein halbes Jahr oder länger mindestens einmal pro Woche vorkommen, besteht inzwischen wohl Einigkeit darüber, dass diese Definition vielen Fällen nicht gerecht wird, da sie aufgrund ihrer zeitlichen Dimension zu eng gefasst ist.
Eine aktuellere Definition stammt von dem Psychologen Dr. phil. Martin Esser und dem Anwalt Dr. jur. Martin Wolmerath
„Mobbing ist ein Geschehensprozess in der Arbeitswelt, in dem destruktive Handlungen unterschiedlicher Art wiederholt und über einen längeren Zeitraum gegen Einzelne vorgenommen werden, welche von den Betroffenen als eine Beeinträchtigung und Verletzung Ihrer Person empfunden werden
und
dessen ungebremster Verlauf für die Betroffenen grundsätzlich dazu führt, dass ihre psychische Befindlichkeit und Gesundheit zunehmend beeinträchtigt werden, ihre Isolation und Ausgrenzung am Arbeitsplatz zunehmen, dagegen die Chancen auf eine zufriedenstellende Lösung schwinden und der regelmäßig im Verlust ihres bisherigen beruflichen Wirkbereichs endet.“ (Esser/Wolmerath: Mobbing und psychische Gewalt, 2015, S. 27)
Mobbing – ein phasenhafter Verlauf
Mobbing verläuft sehr subtil und schleichend und ist daher oft schwer auszumachen. Es beginnt mit einem Konflikt, der, wenn er unbearbeitet bleibt, vor sich hin schwelt und in einer typischen Dynamik eskaliert. Oft endet dieser Prozess mit dem Ausschluss aus dem Arbeitsumfeld. Mobbing steht also nicht für jede Ungerechtigkeit am Arbeitsplatz, sondern für andauernde Intrigen und Schikanen.
Am Anfang eines Mobbing-Verlaufs stehen oft Konflikte zwischen verschiedenen Personen, die nicht oder mangelhaft bearbeitet werden. Dadurch entsteht zunehmend ein Ungleichgewicht und die angegriffene Person gerät dabei über einen längeren Zeitraum in eine Position der Unterlegenheit.
Das geschieht z.B. dadurch, dass Vorschläge ignoriert, Arbeitsinformationen nicht weitergeben oder Arbeitsergebnisse infrage gestellt werden. Betroffene erhalten keine Einladungen mehr zu wichtigen Besprechungen, Nachfragen werden igoniert, Unterstützung verweigert. Für die betroffene Person entsteht so eine bedrückende Atmosphäre und sie versucht, die Situation zu klären – ohne Erfolg. Schon in dieser Phase treten erste Symptome wie Unwohlsein, Anspannung und Nervosität auf.
Je weiter dieser Prozess voranschreitet desto mehr verschärft sich der Konflikt. Das Augenmerk wird zunehmend auf die angegriffene Person gelenkt. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass auch andere Menschen (Kolleg*innen, Führungskräfte) sich auf die Seite der mobbenden Partei stellen und deren Sichtweise übernehmen. Mobbing-Betroffene geraten somit immer mehr ins Abseits. Druck und Belastung werden immer größer, Stress-Symptome verstärken sich.
So ausgegrenzt schwindet das Selbstbewusstsein. Betroffene zweifeln immer stärker an sich selbst und glauben, etwas falsch gemacht zu haben. In der Folge kann es tatsächlich dazu kommen, dass ihnen Fehler unterlaufen und sie aufgrund der extremen Situation auch auffällige Verhaltensweisen wie Misstrauen und Reizbarkeit entwickeln. Bei Aussenstehenden und „Zuschauer*innen“ führt das zu der irrigen Annahme „Mit der/dem stimmt wirklich etwas nicht“. Häufig kommt es in dieser Phase auch zu ungerechtfertigten Personalmaßnahmen wie Versetzungen, Heruntergruppierungen, Abmahnungen …
Die Widerstandskraft und das Bewältigungsvermögen auf Betroffenenseite nehmen immer mehr ab, Stress-Symptome verstärken sich, massive gesundheitliche Störungen und Krankheiten treten auf, Fehlzeiten häufen sich.
Der Stress am Arbeitsplatz hat auch Auswirkungen auf das familiäre und soziale Umfeld der Betroffenen. Häufig haben sie kaum noch Energie für ausgleichende Aktivitäten oder ein Treffen mit Freund*innen und berauben sich dadurch auch noch einer wichtigen Ressource zur Stressbewältigung und Unterstützung.
Wenn Ausgrenzung und Stigmatisierung schließlich durch fast alle Mitarbeitenden einschließlich der Vorgesetzten stattfindet, ist der Ausschluss vorprogrammiert, sei es durch Eigenkündigung, langfristige Krankschreibung, Versetzung oder Kündigung durch den Arbeitgeber.
Nicht jeder Mobbingfall muss grundsätzlich so verlaufen. Dieser Ablauf dient als Orientierung. Der Nachteil dabei ist, dass Mobbing über das Endergebnis definiert wird: „Das war Mobbing.“ Soweit sollte es im betrieblichen Alltag nicht kommen.
Wichtig ist es daher, Mobbing frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden. Wenn bei Ihnen Eindruck entsteht, dass das, was Sie am Arbeitsplatz erleben, Mobbing sein könnte, zögern Sie nicht, sich Beratung Hilfe und Unterstützung zu holen.